Seltene Wollarten, die du kennen solltest – Teil 6: Seide

Seltene Wollarten, die du kennen solltest – Teil 6: Seide

Hallo zum nächsten Teil meiner Reihe über seltene Wollarten. Tatsächlich wurde ich zum Thema des heutigen Artikels durch eine TV-Dokumentation inspiriert, die ich kürzlich zufällig gesehen habe. Darin ging es um „Sardiniens wertvolle Muschelseide“. Da ich bisher nur von Seidenraupen wusste, wollte ich mehr wissen. Ich hoffe, du findest das Thema ebenso spannend wie ich.

Tragegefühl: mehr geht nicht

Tatsächlich heißt es überwiegend, dass es kein anderes Material gibt, dass sich so unglaublich gut auf der Haut anfühlt, wie Seide. Oft wird das Gefühl auch so beschrieben, als spüre man gar nichts, weil die Seide so zart und leicht ist. Und tatsächlich vereint sie zahlreiche Vorteile:

  • sehr leicht
  • sehr bequem
  • gute Isolierung
  • knittert kaum
  • hat einen schönen Schimmer und zarten Glanz
  • lässt sich großartig färben
  • extrem starke Naturfaser


Herkunft 1: sehr alt, aufwändig und inzwischen gestoppt

An dieser Stelle möchte ich kurz auf die oben schon genannte Muschelseide zurückkommen. Sie wurde aus den Byssus-Fäden der Großen Steckmuschel (Pinna nobilis) gewonnen, mit denen diese sich im Meeresboden verankert. Diese spezielle Seide wird bereits in der Bibel erwähnt und wurde vor allem für die Kleidung von Königen, Pharaonen und ähnlich hochrangigen Persönlichkeiten verwendet. Sie ließ sich zwar nicht besonders gut färben, hatte aber bereits von Natur aus einen goldenen Farbton und wirkte dadurch sehr elegant und hochwertig.

Kommerziell wurden Kleider aus Byssus-Seide noch bis in die 1940er Jahre in Sardinien hergestellt, danach endete die Produktion. Grund dafür ist, dass die Steckmuschel fast ausgerottet ist – einige Stimmen sagen, dass dies aufgrund der Verwertung der Fäden geschah, andere sprechen von einer Krankheit, die die Anzahl so stark dezimiert hat. Es gibt – so habe ich in der TV-Doku erfahren – in Sardinien noch Familien, die über ein paar Reste der hochwertigen Seide aus früheren Zeiten verfügen und damit ihre wertvollen Trachten ausbessern, die ursprünglich mit der Seide verziert wurden.

Herkunft 2: aufwändig, teuer und umstritten


Die Seide, die wir heute kennen und verwenden, stammt in der Regel von der Seidenraupe. Diese werden zur Herstellung des teuren Materials in großen Mengen gezüchtet. Grundlage dafür wiederum ist aber die Zucht einer speziellen Pflanze, denn von dieser ernährt sich die besagte Raupe.

Es geht hier um die weiße Maulbeere, weshalb die Seidenraupe auch Maulbeerspinner genannt wird. Sie ernährt sich ausschließlich von den Blättern dieser sommergrünen Baumart, die ursprünglich in China beheimatet war.

Vom Maulbeerspinner-Ei zum Kokon


Ein Maulbeerspinner ist ein optisch eher unscheinbarer Schmetterling. Ein einzelnes Tier kann bis zu 800 Eier legen! Aus eben diesen Eiern schlüpfen rund zehn Tage nach der Ablage Raupen in einer Länge von zwei bis drei Millimeter, die mit schwarzen Haaren versehen sind.

Während der folgenden vier Wochen fressen diese Raupen so viel, dass sich ihr Gewicht zum Zeitpunkt des Schlupfs um das 40.000-fache erhöht. Unglaublich, oder? Sie häuten sich in diesem Entwicklungszyklus mehrfach, bis sie schließlich mit der Verpuppung beginnen.

Dabei produzieren sie an ihrem Mund einen Faden. Dieser besteht vordergründig aus Protein und ist mit Leim verklebt. Mit Hilfe dieses Fadens verpuppen sich die Raupen in Kokons, die zuchtabhängig rund, oval oder länglich geformt sein können. Dieser Kokon ist die Grundlage für die Seidenproduktion.

Für genau diese Produktion müssen die Tiere jedoch getötet werden. Während sie in der freien Natur knapp drei Wochen in ihrem Kokon bleiben und dann als Schmetterling herausschlüpfen würden, ist dies in der Zucht nicht der Fall. Der Kokon würde dabei beschädigt und unbrauchbar werden.

Darum werden die Raupen bereits nach zehn Tagen in den Kokons getötet, und zwar durch Heißluft, Wasserdampf oder in der Mikrowelle. Die so behandelten Kokons werden danach in heißes Wasser gegeben, wo sich der Leim löst, der die Fäden bisher zusammengehalten hat.

Wenige Raupen lässt man überleben, damit sie zur weiteren Zucht eingesetzt werden können. Da dieses Verfahren auf dem Töten der Tiere basiert, ist es absolut umstritten, aber bisher nicht verboten. Eine Alternative zur Herstellung von natürlicher Rohseide gibt es nicht.

Vom Kokon zum Seidenfaden

Die Kokons werden nach der Behandlung mit dem heißen Wasser weiterverarbeitet. Dazu werden zuerst die oberen Fasern abgekämmt oder gezupft. Sie sind zu kurz, um als Faden abgewickelt zu werden und werden später zur sogenannten Florettseide weiterverarbeitet, und aus deren Resten wird wiederum Bouretteseide gefertigt.

Im Anschluss an diese Vorbehandlung kann der eigentliche Seidenfaden abgewickelt und dann zur Rohseide verarbeitet werden. Diese ist die Basis für verschiedenste Seidenprodukte. Die Stärke des Glanzes hängt wiederum davon ab, wie gründlich der Leim ausgewaschen wurde. Ist dieser komplett entfernt, spricht man von Glanzseide.

Pflege von Seide

In der Pflege ist Seide etwas aufwändiger, da sie empfindlicher ist als andere Materialien. Einige Kleidungsstücke müssen daher in die Reinigung gegeben werden, doch einige lassen sich auch per Hand waschen. Wichtig ist, dass dazu ein spezielles Seidenshampoo oder zumindest eine sehr milde Seife verwendet wird. Das Wasser darf nur lauwarm oder kalt, aber nicht heiß sein. Wichtig ist außerdem die Einweichzeit von maximal fünf Minuten.

In nassem Zustand ist die Seide noch empfindlicher, daher nicht rubbeln oder auswringen, sondern nur leicht im Wasser schwenken. Beim Ausspülen mit kaltem Wasser einen Teelöffel Weinessig hinzugeben, das löst die Seifenrückstände.

Getrocknet wird die Seide in einem Handtuch, das eingerollt, kurz angedrückt und wieder ausgerollt wird. Wenn der Stoff noch eine leichte Restfeuchte hat, von links bügeln, natürlich auf niedriger Temperatur.

Achte außerdem darauf, dass Seide auf Wasserflecken, Deo oder Parfüm mit Verfärbungen reagieren kann. Auch direktes Sonnenlicht kann das Gewebe negativ beeinflussen.

FAZIT:

Unbestritten hat Seide tolle Eigenschaften, sieht wunderschön aus und besitzt eine großartige Haptik, die zu einem hervorragenden Tragekomfort führt. Dennoch muss jeder für sich entscheiden, wie er zur Herstellungsprozedur dieses Materials steht. Eine Frage, diesmal nicht nur des persönlichen Geschmacks, sondern des eigenen Standpunktes.